L’ESPERANCE
Lebensgeschichte

Leben aus erster Hand

Wie Gott mir mein Leben ein zweites Mal schenkte – für Kinder in Not

»Kann ich bitte ihr Flugticket sehen?«, fragte der Polizist am Grenzübergang Friedrichstraße in Berlin, nachdem er erfahren hatte, dass ich zu einem Weiterflug in die DDR einreisen wollte. »Es ist am Flughafenschalter hinterlegt«, antwortete ich. »Ohne Ticket kann ich sie nicht einreisen lassen«, beschied er.

»Ich habe ja ein Ticket, es ist nur nicht hier!« »Wenn sie es nicht dabeihaben, darf ich sie nicht einreisen lassen.« »Rufen sie doch bitte am Flughafen an, dort wird man ihnen bestätigen, dass der Flugschein da ist«, suchte ich nach einem Ausweg. »Ich rufe nirgends an«, antwortete er kurz angebunden. »Dass sie kein Ticket haben, ist ihr Problem, nicht meins.«

»Dass ich das Ticket nicht bei mir habe, ist nicht meine Schuld. Ich habe es rechtzeitig bestellt und bezahlt. Es wurde mir von Ihnen (ich meinte den DDR-Staat) nicht zugeschickt.« »Ich habe damit gar nichts zu tun«, fasste er es persönlich auf. »Sie (ich meinte den DDR-Staat) verdienen doch daran, wenn im Westen Flüge gekauft werden.« »Ich verdiene gar nichts daran.« Wieder verstand er es persönlich.

»Ich bin ja nicht nur als Tourist unterwegs, sondern als Mitarbeiter einer Hilfsorganisation (das war etwas großspurig), um Waisenkindern in Äthiopien, in einem sozialistischen Bruderland der DDR, zu helfen.« »Das interessiert mich nicht, ich habe meine Vorschriften.«

»Ich möchte Ihren Offizier sprechen!« »Der schläft.« »Wecken Sie ihn auf!« »Wo denken Sie hin! Das kann ich nicht!«, brauste er auf. Es war Mitternacht. Der Flug sollte um vier Uhr am Morgen gehen.

»Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, zum Flughafen zu kommen. Warum sind Sie nur so ablehnend?«, versuchte ich nochmal, ihn ganz ruhig und persönlich anzusprechen.

»Wenn ich Sie jetzt einreisen lasse, könnten Sie ja überall hinreisen, wohin Sie wollen. Wir haben keine Kontrolle«, begründete er seine Ablehnung.

»Hören Sie zu«, sagte ich wütend, »was will ich bei Ihnen? Ich bin ja froh, wenn ich aus Ihrem Land wieder raus bin!« Die Kontrollen im Interzonenzug, die Spürhunde, welche die Wagen abgesucht hatten, die Soldaten, die an den Bahnhöfen mit Gewehren und Maschinenpistolen Wache gehalten hatten, sie alle machten mir das System sehr unsympathisch.

Nach dieser Geringachtung des demokratischen Arbeiter- und Bauernstaates durfte ich einreisen.

Eine interessante Reise

Doch wie war ich dazu gekommen? Warum wollte ich ausgerechnet nach Äthiopien und mich um Waisenkinder kümmern, die ich gar nicht kannte? Wie kam es zu dieser abenteuerlichen Reise über den Arbeiter- und Bauernstaat voller Ungewissheiten, ohne Geld, aber mit großen Hoffnungen?

Begann es etwa mit der geschenkten Zeit, damals vor über 25 Jahren? Mit meiner Ausbildung? Nein, eigentlich schon viel früher. Alles fing an mit meinem Gebet: »Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm!«

Der Anfang

»Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm!« hatte ich als kleiner Junge oft gebetet, mit dem tiefen, einfachen Glauben eines von Theorien und Philosophien unverdorbenen Kindes. Ich stamme aus einer sogenannten Mischehe. Meine Mutter war katholisch, mein Vater evangelisch. Wir drei Kinder wurden als Babys in die katholische Kirche hineingetauft und natürlich auch katholisch erzogen. Mein älterer Bruder starb als Kleinkind, Vater verunglückte tödlich auf dem Weg zur Arbeit. So hatte meine Mutter in der Kriegszeit als Witwe mit ihren zwei kleinen Kindern und der Last eines abzuzahlenden Hauses ein schweres Los.

Sie lehrte uns beten. Wenn wir Angst hatten, allein an einen finsteren Ort zu gehen, wenn uns der Donner eines nahen Gewitters erschreckte, wenn wir aus Furcht vor dem Dröhnen der Bombergeschwader in den Luftschutzkeller rannten, zitternd vor Angst, dann sagte sie: »Betet! Der liebe Gott ist ganz nahe. Er beschützt euch. Er schickt euch einen Engel.«

Ausbildung

Nach Kriegsende heiratete meine Mutter einen lieben Mann, der durch seine Güte mein zweiter Vater wurde. Mein Ausbildungsbetrieb, eine große Handwerksfirma, hatte mehr Lehrlinge als Gesellen, nur einen Meister und keine Hilfsarbeiter. Für 20 Mark im Monat bestand die »Ausbildung« die meiste Zeit aus Schlitzeklopfen, Materialtransporten, Lagerarbeiten und dem Durchstemmen dicker Betondecken. Oft weinte ich am Abend und bat die Eltern, mich aus der Lehre zu nehmen. Sie meinten jedoch: »Lehrjahre sind keine Herrenjahre!« Ich müsse das durchhalten.

Im Laufe der nächsten Monate fand ich eine Möglichkeit, wenigstens zeitweise diese Tretmühle zu vergessen. Im Schlepptau älterer Kumpane, die mir manche Flasche Bier zukommen ließen, zog ich an den Wochenenden von Gast- stätte zu Gaststätte. Alkohol brachte mir das verlorene Selbstwertgefühl zurück, gaukelte mir die Illusion vor, groß, stark und beachtet zu sein. Von Gott war ich weit weg, auf den Baustellen wie in den Kneipen.

Nach meiner Ausbildung zum Handwerker arbeitete ich in einer Propangas- und -anlagenfirma. Oft mussten wir auf Kundendienst- und Montagetouren hunderte Kilometer auf damals noch sehr schlechten Landstraßen zurücklegen und waren oft vierzehn bis sechzehn Stunden am Tag unterwegs. Bald wollte ich nicht mehr, und nach einem Jahr ergab sich eine günstige Gelegenheit.

Die Bundeswehr war gegründet und die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Sofort betrieb ich ohne Wissen meiner Eltern meine Einberufung, der ich als Halbwaise hätte entgehen können. Bald darauf wurde ich mit den ersten Wehrpflichtigen eingezogen. Die Grundausbildung machte mir Spaß. Sie war hart und beinhaltete viel sportliche Betätigung. Ich war stark und ausdauernd; Geländeübungen, Märsche und Läufe bereiteten mir keine große Mühe. Allerdings wurde der Dienst im Regiment mit der Zeit immer mehr zur Gammelei, so dass ich der eigenen Versuchung und dem Werben der Vorgesetzten widerstehen konnte, mich weiter zu verpflichten. Es gab aber auch noch einen weiteren Grund: Ich lernte meine geliebte Prinzessin kennen!

Erste Bedrohung

Im Spätherbst bekam ich eine Grippe. Nicht schlimm, aber unangenehm, mit Halsentzündung, leichtem Fieber, Husten und Schnupfen. Bei der Behandlung im Revier erlebte ich eine böse Überraschung. Der Stabsarzt, ein bulliger Mann mit gerötetem, vom Alkohol aufgedunsenen Gesicht, herrschte mich an: »Was ist los?« Ich meldete, ich hätte eine Grippe. Nun erwartete ich eine Untersuchung. Stattdessen begann er zu schreien: »Das ist eine Unverschämtheit! Eine Sauerei! Schon wieder einer, der sich vor dem Ma- növer drücken will. Was bildest du dir eigentlich ein?« Schimpfend drehte er sich um und verschwand in einem der Räume der Sanitätsbaracke. Ich stand da wie ein begossener Pudel, wusste nicht, wie mir geschehen war. Ans Manöver hatte ich gar nicht gedacht. Ich hatte nichts gegen Manöver. Ich bekam ein paar Pillen, rote und gelbe. Damit war ich entlassen.

Und das Manöver hatte es in sich.

Wir fuhren in offenen Kübelwagen durch das Gelände, während es unentwegt nebelte, nieselte oder regnete. Zeitweise war ein Sumpf unser »Kampfgebiet«. Die zusammenknöpfbaren Zelte hatten keinen Boden. Um nicht im Wasser liegen zu müssen, sollten wir Äste von den Bäumen schlagen. Aber an normalen Schlaf war ohnehin nicht zu denken. Nachts gab es mehrmals Alarm. Der »Feind« griff an, verschoss Platzpatronen. Oder wir mussten aufbrechen, »die Stellung wechseln«. Zwischendurch hatte der »Feind« auch noch die Feldküche »erbeutet«. So gab es zwei Tage nur Notrationen. Dabei hätte mir ein warmes Essen besonders gut getan. Ich fror immer mehr.

Als wir in die Kaserne zurückkamen, verlor ich das Bewusstsein.

Mit doppelseitiger Lungen-, Zwerch- und Rippenfellentzündung wurde ich eilends ins nächste Lazarett geschafft. Mein Zustand war kritisch. Jeder noch so flache Atemzug zog messerstichartige Schmerzen im gesamten Brustraum nach sich. Ich hatte hohes Fieber, lange Zeit keinen Appetit. Die Genesung setzte nur zögernd ein. Drei Monate musste ich im Bundeswehrkrankenhaus bleiben, bis ich – immer noch schwach – entlassen wurde.

Es war eine schwere Zeit gewesen. Die Briefe meiner Prinzessin Edith haben in dieser Zeit, in der mein Leben bedroht war, sehr meinen Lebenswillen gestärkt. Es gab nun jemanden, für den es sich lohnte, am Leben zu bleiben.

Meine Lebensphilosophie: »Es gibt keinen Gott, und wenn doch, dann brauche ich ihn nicht!« und »Der Glaube ist nur etwas für alte und schwache Menschen!« hatte in der Zeit im Lazarett einen gehörigen Riss bekommen. Hatte ich zuvor die leichtsinnige Meinung gehabt, ich sei jung, mir könne nichts passieren, so war es damit ein für allemal vorbei. »Sie sind dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen«, hatte der Oberarzt, ein guter Mediziner und freundlicher Mensch, gesagt. Ich begann über Fragen nachzudenken, die mir vorher völlig fremd waren. »Was wäre passiert, wenn ich gestorben wäre? Gibt es etwas nach dem Tod, wie die Kirchen behaupten, oder ist damit alles aus? Hat das Leben einen Sinn? Wo kommt der Mensch, das Leben her? Ist alles Zufall, Entwicklung, oder gibt es etwa doch einen Schöpfer?«

Heiratspläne

Im Lazarett erhielt ich in Anbetracht meines schwachen Zustandes sechs Wochen Genesungsurlaub. Als ich ins Regiment zurückkehrte, war mein Wehrdienst fast zu Ende. Die restliche Zeit verging mit leichtem Innendienst. Mehr war auch nicht möglich. In Zivil nahm ich meine alte Tätigkeit wieder auf und verlobte mich mit meiner Prinzessin, eineinhalb Jahre nachdem ich sie zum ersten Mal gesehen hatte.
In einer Universitätsklinik wurde ich generaluntersucht. Der Befund: Leichte Schäden an Herz, Lunge und Rippenfell in Form von Verwachsungen und Schwielen. Die Schädigung wurde auf fünfzehn Prozent taxiert. Ich erhielt neunhundert Mark Abfindung und einen einmaligen Erholungsaufenthalt, der mich leider wieder sechs Wochen fern von meiner Geliebten sein ließ.

Als wir Heiratspläne besprachen, bat ich sie zu bedenken, ob sie einen Mann nehmen wolle, der schon angeschlagen sei. Meine Schädigung könne ja vielleicht noch schlimme Spätfolgen haben. Die Prinzessin geriet in helle Empörung: »Willst du mich nicht mehr? Meinst du, ich wäre nur bei dir, wenn es dir gut geht?«, entrüstete sie sich. »Ich bin immer für dich da!« Und sie hat es gehalten. Seit sechs Jahrzehnten steht sie nun an meiner Seite, unbeirrbar durch Sorgen und Mühsal, durch Armut oder Gefahr, durch Krankheit oder Leiden, durch Anfechtungen und Anfeindungen.

Der Schock

Im ersten Winter nach der Hochzeit stellten sich beim Fahren mit dem Montagewagen Schmerzen über beide Schultern und in der Brustwirbelsäule ein. Sie kamen am Mittag, verstärkten sich während des Nachmittags und ließen erst wieder nach, wenn ich mich in unserer bescheidenen Wohnung entspannen konnte. Im Laufe der Monate wurden sie immer heftiger. Der Arzt behandelte auf Nervenentzündung und setzte mir eine Serie Spritzen in die Schultern. Als die nichts halfen, überwies er mich an einen Orthopäden. Die Wirbelsäule wurde in verschiedenen Lagen geröntgt.

Nach einigen Tagen bestellte mich der Facharzt zur Besprechung des Ergebnisses. »Sie haben an mehreren Wirbeln ihrer Brustwirbelsäule Knochentuberkulose«, eröffnete er mir.

»Was bedeutet das?«, fragte ich arglos. »Die Tuberkelherde zerfressen die Knochensubstanz«, erklärte er. »In ihrem Falle sind schon erhebliche Schäden eingetreten. Sie können nicht mehr arbeiten.«

»Was kann man gegen die Krankheit tun?«, wollte ich wissen. »Recht wenig«, war die deprimierende Antwort. »Es gibt noch keine medikamentöse Behandlung dieser Erkrankung. Man kann nur durch langes, stilles Liegen versuchen, ob nicht ein Kalkblock die Krankheitsherde einkapselt und inaktiv macht, aber heilen kann man sie nicht.«

»Wie lange muss man dazu liegen?«, fragte ich. Angst begann mir den Hals zuzuschnüren. »Das ist im Voraus nicht zu sagen«, war die Antwort. »Es können zwei, fünf oder auch zehn Jahre sein.«

In meinem Kopf begann es sich zu drehen, und ich brachte nur eine Frage heraus: »Was geschieht, wenn man das nicht tut?« »Ihre Wirbelsäule wird eines Tages knicken, dann sind sie gelähmt, oder sie wird brechen, dann sind sie tot.«

Schwankend verließ ich die Praxis. Mir war übel. Ohnmacht bedrohte mich. Über die Wangen rannen Tränen. Ich war jung verheiratet, in tiefer Liebe verbunden mit einem wunderbaren Menschen. Das erste Kind war da. Wir hatten so schöne Pläne.

Und nun das.

Wendepunkt im Zimmer 218

Manches Leben scheint vorgezeichnet, bis es aus seiner Bahn gerissen wird und von da an einen eigenen, anderen Weg geht. Im Rückblick ist es nicht immer leicht, den Zeitpunkt zu finden, wann die neue Lebensrichtung begann.

Lag die Neuorientierung bei mir in dem Umstand begründet, dass ich in meinen Handwerksberufen keine Erfüllung fand? Lag die Veränderung darin, dass mir Gott zu jener Zeit eine Frau schenkte, die ein Schatz ist, der mir immer wertvoller wird? Begann der andere Weg damals, als ich im Bundeswehrlazarett lag und mir zum ersten Mal bewusst wurde, dass auch ein junges Leben jäh zu Ende sein kann? Ist der Anfang in die Zeit zu setzen, als mir eröffnet wurde, dass ich Knochenfraß hatte? Oder war das lange Jahr in der Orthopädischen Klinik entscheidend, als mir Gott Zeit gab, im Gipsbett – möglichst bewegungslos auf dem Rücken liegend – ihn und den Sinn meines Lebens zu finden?

Ohne damals zu wissen woher, war ich mir sicher, dass ich bald sterben müsse. Ich fühlte mich hilflos und hatte Angst. So begann ich die Bibel zu lesen, mit Gott zu sprechen. Dreiundzwanzig Jahre jung, in erster stürmischer Liebe verheiratet, Vater eines niedlichen kleinen Mädchens, fern von Gott, ohne Hoffnung auf etwas nach dem Tod. Ich war weit entfernt davon, aufs Sterben vorbereitet zu sein.

Gleichzeitig deutete nichts darauf hin, dass ich sterben müsse. Ich lag Monat für Monat still auf dem Rücken in meinem Gipsbett, und bei den Röntgenaufnahmen wurde eine langsame, aber fortschreitende Verkapselung der angefressenen Wirbel festgestellt.

Einen Monat bewegungslos auf dem Rücken zu liegen, vergeht ungefähr so schnell wie ein Jahr in Aktivität. Und Geduld ist nicht eine Tugend der Jugend. Es gab für mich zwei Möglichkeiten. Entweder zwei, drei oder fünf Jahre und länger still zu liegen, bis ein Kalkblock die Tuberkelherde umschlossen und die angenagten Wirbel stabilisiert hätte, oder eine Operation, bei der durch die Verpflanzung von Knochenspänen die Wirbel blockiert und auf diese Weise stillgelegt würden. Begreiflicherweise hatte ich Angst vor dem Eingriff, weil ich dachte, er könne der Anfang vom Ende sein. Die Operationstechnik war neu und inzwischen schon einige Male angewandt, aber nie war eine Patient gestorben. Dennoch verweigerte ich neun lange Monate lang die Einwilligung zu dem Eingriff. Danach war ich weich, meinte, das lange Liegen und das Getrennten von meiner geliebten Frau nicht länger aushalten zu können, und willigte in einem Zustand der Apathie in die Operation ein. Diese verlief ohne Komplikationen. Auch nach der Narkose stellte sich weder Übelkeit noch Beschwerden ein.

Und dann kam mein Ende.

Es begann am Nachmittag mit furchtbaren Schmerzen im Bein. Ich bekam keine Luft mehr, wurde blau, kam zeitweise unter die Sauerstoffmaske. In aller Eile räumte man ein Zimmer, in das mein Bett geschoben wurde. Die Ärzte berieten sich, ob sie eine Sonde in meine Beinadern einführen sollten, um das Blutgerinnsel zu suchen, das sich dort offenbar festgesetzt hatte, um es eventuell zu zerkleinern. Es folgten Stunden größter Qualen.

Dann geschah Schreckliches. Das geronnene Blut passierte das Herz. Dieses wehrte sich mit solcher Kraft gegen den Fremdkörper, dass jeder verzweifelte Schlag noch am Bettgestell zu spüren war.
Danach war ich schweißgebadet, am Ende aller Reserven. Atemnot und Schmerzen blieben, bis der Tod kam. Das Gerinnsel erreichte zum zweiten Mal das Herz. Der Körper hatte gegen das Sterben angekämpft, so gut er konnte. Nun ging es nicht mehr. Auch die Ärzte sahen keine Möglichkeit zu helfen. Ein letztes verzweifeltes Aufbäumen, ein letztes Schreien zu Gott. In letzter Sekunde übergab ich Gott mein Leben. Ich flehte um seine Gnade, gelobte, für ihn und nach seinem Willen zu leben und seine Gebote zu befolgen, wenn er mir noch Zeit geben würde.

Und dann geschah im Zimmer 218 ein Wunder. Mitten in das zuckende, körperliche und geistige Chaos meines Sterbens hinein erfuhr ich eine ruhige Stimme, die sagte: »Dein Gebet ist erhört. Du sollst leben.« Von einem Augenblick zum anderen erfüllte mich ein tiefer Frieden. Ich hatte keine Schmerzen mehr, konnte normal atmen. Es gab kein Blutgerinnsel mehr. Gott hatte mir zum zweiten Mal das Leben geschenkt. War mir mein erstes Leben durch meine Mutter sozusagen aus zweiter Hand gegeben worden, so hatte ich nun Leben aus erster Hand. Gnadenzeit.

Wie alles weiterging:

»Wir wollen armen Kindern helfen!«

Paul Kowoll

ist inzwischen fast 83 Jahre alt. Seiner Frau Edith und ihm wurden drei Kinder geboren. Sie haben neun Enkel und drei Urenkel.