Vor einigen Jahren war ich im Missionsfeld in Südost-Asien unterwegs, wo ich einem alten Arzt und Missionar begegnete. Er war schon an die 80 Jahre alt und noch immer in der Mission in Afrika tätig. Als er mich in Malaysia besuchte, fragte ich ihn, wann er denn plane, wieder ins Missionsfeld zurückzufliegen, und er erwiderte einfach: »Das weiß ich noch nicht. Gott hat mich noch nicht gerufen.«
Noch mehrere Wochen verbrachte er bei uns in Malaysia, um dann plötzlich von einem Tag auf den anderen seine Sachen zu packen und den nächsten Flug zurück nach Afrika zu nehmen. Ich fragte mich in den folgenden Tagen, wie Gott wohl zu ihm gesprochen hatte. Was hatte er gehört?
Jesus sagt: »Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach.« (Johannes 10,27) War ich denn der einzige Christ auf dieser Welt, der Jesu Stimme nicht kannte, durch die Gott zu uns spricht? Hören wirklich alle Jesusjünger seine Stimme? Wie klingt seine Stimme? Was sagt er uns?
Viele Fragen gingen mir durch den Kopf und ich beschloss, durch die Bibel etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen.
Gott spricht zu Paulus
Da war zunächst ein Bericht von Paulus in der Apostelgeschichte. Er reiste damals mit seinem Gefährten durch Kleinasien, um den Menschen von Jesus zu erzählen:
»Danach zogen sie weiter durch Phrygien und die Landschaft Galatien; denn der Heilige Geist erlaubte ihnen nicht, in der Provinz Asien die Botschaft Gottes zu verkünden. Als sie, westwärts ziehend, an die Grenze von Mysien kamen, wollten sie von dort in das nördlich gelegene Bithynien weiterziehen. Aber auch das ließ der Geist … nicht zu.« (Apostelgeschichte 16,7.8 GNB)
Wie hatte der Heilige Geist mit Paulus kommuniziert? Später erhielt Paulus einmal einen Traum mit einem mazedonischen Mann, der Paulus zu erkennen gab, dass er nach Mazedonien aufbrechen sollte. Aber wie er ihn hier in Kleinasien hinderte, nach Asia und Bithynien zu gehen, offenbart der Text leider nicht.
Gott spricht zu Simeon
Im Lukas-Evangelium las ich von dem alten Simeon, zu dem der Geist Gottes sprach:
»Damals wohnte in Jerusalem ein Mann namens Simeon. Er lebte nach Gottes Willen, hatte Ehrfurcht vor ihm und wartete voller Sehnsucht auf den Retter Israels. Der Heilige Geist ruhte auf Simeon, und durch ihn wusste er, dass er nicht sterben würde, bevor er den Christus, den vom Herrn gesandten Retter, gesehen hätte. Vom Heiligen Geist geführt, war er an diesem Tag in den Tempel gegangen.« (Lukas 2,25-27 HFA)
Leider fehlt auch hier die Information, wie der Geist zu ihm gesprochen und ihn in den Tempel geführt hatte. Dort traf er nämlich Josef und Maria mit dem Jesuskind.
Gottes Stimme hören lernen
Als ich dann einen Text im 1. Buch der Könige las, ging mir ein Licht auf: Elia, ein Prophet Gottes, hatte miterlebt, wie Gott große Zeichen und Wunder getan hatte. Als er aber von der Königin Isebel mit dem Tode bedroht wurde, hatte er Angst, floh aus dem Nordreich Israel und machte sich auf eine lange Reise in den Süden, wo er schließlich am Horeb, dem Berg Gottes, ankam. Dort begegnete ihm Gott, als er sich in einer Felshöhle befand. Als Gott den Elia aufforderte, aus der Höhle herauszukommen, wird etwas ganz Wichtiges über die Stimme des Herrn deutlich:
»Gott sprach: Komm heraus und tritt auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR ging vorüber; und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht in dem Wind. Und nach dem Wind kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht in dem Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht in dem Feuer. Und nach dem Feuer kam die Stimme eines sanften Säuselns. Und es geschah, als Elia dieses hörte, da verhüllte er sein Angesicht mit seinem Mantel, und er ging hinaus und trat an den Eingang der Höhle. Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm, die sprach: Was willst du hier, Elia?« (1.Könige 19,11-13)
Gott war weder im Getöse des Sturms zu finden noch in der Gewalt des donnernden Erdbebens. Auch nicht in der Hitze des Feuers. Elia wusste, wo Gott zu finden war, und als er ein leises Säuseln hörte, da verhüllte er sein Angesicht und trat vor die Höhle, um auf Gottes Stimme zu hören und Gemeinschaft mit Gott zu haben, dessen Namen er ja dem ganzen Volk verkündet hatte.
Wie oft ging es mir wie Elia! Auch ich durfte damals im Missionsfeld das Handeln und Eingreifen Gottes erleben. Aber manchmal kam bei all dem Trubel und Lärm um mich herum die Stille zu kurz, die ich vor meinem Herrn haben sollte. Meine Gebete waren schnell und ich redete viel in ihnen, aber ich hörte wenig.
Meine Sinne waren gefüllt vom »Lärm der Welt«, den weltlichen Sorgen und Nöten, und meine Gedanken kreisten ständig um irgendetwas. Nur Stille, echte Stille kannte ich nicht.
Ellen White, eine Autorin des 19. Jahrhunderts, schrieb einmal: »Wenn wir jede andere Stimme zum Schweigen gebracht haben und in Ruhe vor Gott warten, dann lässt uns dieser innere Friede die Stimme Gottes viel deutlicher hören.«
Es war einfach zu laut in mir!
Stimmen im Tempel
Paulus schreibt, dass unser Körper ein Tempel des Heiligen Geistes ist. Aber mein körperlicher Tempel war mit allen möglichen Stimmen erfüllt. Er war nicht das Gebetshaus, das Jesus sich wünschte.
Wie aber konnte ich den Tempel von all dem Lärm befreien? In mir gab es »Marktschreier«, die meine Gedanken auf weltliche Sorgen lenkten. Es gab »Geldwechsler«, die mir einredeten, man könne gute Taten gegen den Segen Gottes eintauschen. Auch »Taubenverkäufer«, die mich auf alle möglichen Ideen und Vorstellungen der Welt hören lassen wollten. Aber was es nicht gab, war Stille.
In der Bibel las ich, was Jesus tat, als er damals in den Tempel kam:
»Jesus ging in den Tempel Gottes hinein und trieb alle hinaus, die im Tempel verkauften und kauften, und stieß die Tische der Wechsler um und die Stühle der Taubenverkäufer. Und er sprach zu ihnen: Es steht geschrieben: ›Mein Haus soll ein Bethaus genannt werden!‹ Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!« (Matthäus 21,12.13)
Durch diesen Text fasste ich Hoffnung, dass Jesus auch meine Räuberhöhle reinigen konnte! Trotz der vielen Menschenmengen im damaligen Jerusalemer Tempel konnte ihm niemand Widerstand leisten! Dann würde Jesus auch meinen Tempel von allem Bösen befreien und wieder Ruhe und Frieden einziehen lassen.
Stille im Tempel
Ich verstand: Wenn ich im Gebet zu Gott komme, meine Gedanken aber wieder abschweifen und sich auf Weltliches konzentrieren wollen und ich an meinen Tagesplan denke statt an ihn, kann ich diese Gedanken einfach einfangen und von Jesus lenken lassen. Denn Gott hat gesagt, dass wir alle Sorgen auf ihn »werfen dürfen«. Das mache ich auch heute noch. So lange bis ich Ruhe im Herzen habe.
Wenn ich zu Gott bete, dann verlasse ich das Gebet auch nicht gleich wieder, sondern bleibe noch ein wenig still vor Gott. Denn es ist wichtiger, im Gebet zu hören, statt zu reden. Gott kennt ja alle meine Gedanken. Ich möchte aber seine Gedanken über mich verstehen.
Mein Gebetsleben hat sich verändert, seitdem ich verstanden habe, dass Gottes Geist mit unserem Geist sprechen will. In der Stille hört der Betende Gottes Stimme. Der Herr spricht voller Liebe zu seinen Kindern, erinnert sie an Bibelstellen und Erfahrungen ihres Lebens und gibt ihnen Eindrücke, die sie motivieren und stärken.
Je nachdem, welche Stimmen wir in unseren Tempel einladen, diese Stimmen sprechen dann auch zu uns. Aber Jesus sagt, dass Gottes Haus ein Bethaus sein soll. Legen wir deshalb alles bei ihm ab, wenn wir im Gebet zu ihm kommen, und warten wir auf den Frieden, den er uns verheißen hat. So werden wir bereit, ihn zu hören.
Vor Gott bleiben
Ich erinnere mich an eine Situation in meinem Leben: Ich betete zum Herrn und war lange Zeit auf meinen Knien. Ich betete so lange, bis ich alles gesagt hatte und mir nichts mehr einfiel. Weil ich aber noch keine Antwort von Gott hatte in meiner Not, wollte ich das Gebet auch nicht verlassen und blieb in der Stille vor ihm.
Jetzt hörte ich zum ersten Mal in meinem Leben diese liebevolle Stimme, die mir viele Bibelverse in Erinnerung rief, die ich in dieser Reihenfolge noch nie gehört hatte. Es war überaus aufbauend und stärkte mich, denn ich wusste: Bei dem, was vor mir liegt, ist der HERR an meiner Seite. Ich brauche als sein Kind keine Angst zu haben, denn er wird mich begleiten.
Früher habe ich manchmal versucht, Gottes Antworten auf andere Weise zu erfahren. Heute weiß ich, dass Gott Methoden wie Lose, Münzen werfen und Zeichen suchen nicht gut heißt. Natürlich, manchmal sendet Gott einen Engel oder tut Zeichen und Wunder, um uns etwas zu sagen, aber meistens spricht Gott auf andere Weise zu uns. Einfach im Gebet, in der Stille. Durch Gottes Wort und die Stimme unseres Gewissens und der Pflicht.
Jesu Stimme kennen
Jesus vergleicht uns mit Schafen, deren Hirte er ist. Es ist doch erstaunlich: Wenn viele Hirten ihre Schafe zusammentreiben und mehrere tausend Tiere beisammen sind, muss ein Hirte nur einmal rufen und die jeweiligen Tiere seiner Herde kommen zu ihm heraus. Sie kennen seine Stimme!
Um nun Gottes Stimme im Alltag zu verstehen, brauche ich eine Beziehung zu ihm. Wie kann ich sonst seine Stimme von meiner eigenen oder von fremden Stimmen in meinem Herzen unterscheiden? Um aber eine Beziehung aufzubauen, brauche ich Zeit mit Gott, so wie seine Jünger, die Apostel, Zeit mit Jesus hatten.
»Denen, die horchend darauf warten, dass Gott zu ihnen spricht, sendet Gott ständig Botschaften.« (Ellen White)
»Denn so spricht Gott, der HERR, der Heilige Israels: Durch Umkehr und Ruhe könntet ihr gerettet werden, im Stillesein und im Vertrauen läge eure Stärke.« (Jesaja 30,15)
»Der HERR wird für euch kämpfen, und ihr sollt still sein!« (2. Mose 14,14)